Schulstreiks "Fridays for Future": Bleibende Bewegung oder Strohfeuer?

Heute gibt es freitags weltweit Schulstreiks – aufgrund eines Medienphänomenens und der immensen Beharrlichkeit einer 15-jährigen Klimaschützerin: Greta Thunberg. Die schwedische Schülerin begann im Dürresommer 2018 ihren „Skolstrejk för klimatet" („Schulstreik für das Klima") vor dem Schwedischen Reichstag in Stockholm.
Viele Schülerinnen und Schüler folgten ihr unter dem Hashtag #FridaysForFuture – zunächst in Schweden, dann auch in Australien, Uganda, und verschiedenen, europäischen Ländern, inklusive Deutschland. Sie fordern eine drastische Reduktion der Klimagase und ein Ende des „Politikversagens", wie sie es ausdrücken.
Dekarbonisierung: Skandinavien als Pionier
Tatsächlich lässt die Dekarbonisierung in den meisten Staaten zu wünschen übrig – auch wenn die skandinavischen Länder noch positiv herausstechen: In Norwegen soll bis 2025 kein Neuwagen mehr fossile Brennstoffe verbrennen – dort fährt bereits heute die Hälfte der Autos elektrisch. In Dänemark und Schweden sollen ab 2030 keine Verbrenner mehr zugelassen werden. Doch den Schülern geht das zu langsam.
Auch in Sachen nachhaltiges Investment und Divestment [Ausstieg aus Geldanlagen in fossile Energie], gelten die Skandinavier – insbesondere der Auslands-Pensionsfonds der Norwegischen Zentralbank – als Vorreiter. In diesen Fonds fließt der Großteil der staatlichen Öleinnahmen, um künftige Generationen nach dem Ende de Förderung am Ressourcen-Reichtum Norwegens teilhaben zu lassen. Das norwegische Parlament verordnete dem milliardenschweren staatlichen Pensionsfonds schließlich Divestment, welches Schritt für Schritt umgesetzt wurde. Kürzlich jedoch machte der Fonds negative Schlagzeilen, weil er inmitten der Proteste um den Hambacher Forst Aktien des Kohle-Energiekonzerns RWE dazukaufte.
Schön, dass sich die Kinder engagieren – aber nicht in der Schulzeit! Oder eben doch?
Da die Demonstrationen während der Schulzeit stattfinden, gibt es erbitterte Diskussionen von den jungen Aktivisten, Bildungsministern und Journalisten. Zwar ist das Demonstrieren in den bestreikten Ländern ein Grundrecht – der Erziehungsauftrag ist es jedoch in der Regel ebenfalls. Die Kultusministerkonferenz in Deutschland bestätigt daher das Demonstrationsrecht der Schüler – doch sollen sie dieses bitte in der unterrichtsfreien Zeit ausüben. Spontandemonstrationen können, juristisch gesehen, eine Ausnahme darstellen – doch die Klimastreiks sind alles andere als spontan, sie sind penibel geplant: Die Klimastreik-Bewegung organisiert sich ihrer jungen Zielgruppe entsprechend über Whatsapp-Gruppen. Gruppen-Chats gibt es für fast alle Bundesländer Deutschlands und für zig Städte – von Aachen über Memmingen bis Zweibrücken.
Das Brechen der Schulpflicht ist gleichzeitig ein wichtiges Element, um Aufmerksamkeit zu erregen. Wie spannend ist schließlich schon ein Streik, bei dem nichts bestreikt wird? Und die Taktik funktioniert. Als Australiens Minister für Ressourcen, Matt Canavan, den Schülern empfahl, lieber in die Schule zu gehen als herauszufinden, wie man von der Sozialhilfe leben kann, erntete er einen Shitstorm.
Die Klimastreiks sind klein, aber erfolgreich. Warum?
Normalerweise schaffen es Demonstrationen von ein paar Tausend Menschen nur in überregionale Medien, wenn es schwere Ausschreitungen gibt oder die Forderungen der Demonstranten schon lange medial diskutiert werden. Nicht so bei den Klimastreiks der Schüler.
Erklären lässt sich die Öffentlichkeitswirksamkeit der Bewegung durch die effektive Kombination von Offline-Aktionen und Online-Methoden. Greta Thunberg wurde schnell bekannt – nicht nur durch Medienberichte, sondern spätestens seit ihrer Rede auf der letzten Klimakonferenz in Polen durch die Soziale-Medien. Hier zeigte sich wieder einmal, dass in den Sozialen Medien "virale Inhalte" stark von charismatischen Persönlichkeiten profitieren. Dieser neue Personenkult lässt sich durchaus kritisieren – immerhin "traf" es mit Greta Thunberg jedoch eine integre, beinahe unübliche Heldin.
Ist "Fridays for Future" ein Online-Hype?
„Fridays for Future" ist daher eine stark online-vernetzte Offline-Bewegung mit einem gewissen Momentum. Dass nun durchgängig freitags Klimastreiks zu erwarten sind, bis Kohleausstieg, Verbrennungsmotor-Aus und Co. durchgesetzt sind, ist unwahrscheinlich. Die Schülerdemos sind dennoch wichtig: Die Kids werden dort weiter politisiert und vernetzen sich. Möglich, dass ihre Chatgruppen irgendwann etwas ruhiger, aber zu umweltpolitischen Anlässen wieder lebendig werden. In Deutschland hat die #FridaysForFuture-Bewegung einen klaren Anti-Kohle-Bezug. Ob die Demonstrationen an Fahrt verlieren, ist auch davon abhängig, ob der Kohleausstieg zügig realisiert wird.
Nicht zuletzt erinnerten die Kids ihre älteren Mitmenschen in den Führungspositionen an die Dringlichkeit, die Treibhausgase drastisch zu reduzieren – auf ihren Schildern steht etwa: "2050? Da bin ich noch nicht einmal 60 Jahre alt!"
Reicht es, Verantwortung auf die Politik abzuschieben?
Natürlich nicht! Neben dem öffentlichen Druck durch Streiks und Demonstrationen ist es wichtig, selbst zu tun, was man predigt und einem wichtig ist. Statt Ohn-Macht können wir Mit-Macht unsere eigenen Handlungsspielräume ausreizen. Mit dazu gehört, dass wir persönlich den fossilen Energien den Geldhahn zudrehen und beispielsweise in erneuerbare Energien investieren und andere ermutigen, das Gleiche zu tun.
Geschrieben von Marius Hasenheit
Marius Hasenheit arbeitet am Think Tank Ecologic Institut. Freiberuflich ist er als Berater (strategischer) Kommunikation tätig. Gern schreibt er auch über Umweltthemen – hier bei nachhaltig investieren, bei Zeitungen wie Der Freitag oder Süddeutsche Zeitung oder dem transform Magazin, dessen Mitherausgeber er ist.