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Einspruch! Lässt sich Klimaschutz einklagen?

Einspruch! Lässt sich Klimaschutz einklagen?

In regenerative Energien investieren, Städte, Universitäten und Kirchen zum Divestment drängen oder Fahrrad fahren – es gibt viele Wege, für den Klimaschutz einzutreten. Doch was ist zu tun, wenn Energieriesen uneinsichtig sind und das Interesse in der Bevölkerung nachlässt?

Man zerrt die Haupttäter vor Gericht. Viele Klimaschützer setzen inzwischen auf Klagen, um Druck auf Politik und Wirtschaft aufzubauen und zugleich die Mitbürger aufzurütteln. Manche der Kläger wählen vielleicht auch den juristischen Weg, um sich weniger machtlos zu fühlen. Bekannt wurde etwa der Fall des peruanischen Bergbauern Saúl Luciano Lliuya, der es mit dem Stromversorger RWE aufnahm. Das Unternehmen ist als Betreiber zahlreicher Kohlekraftwerke Mitverursacher des Klimawandels, weswegen ein peruanischer Gletscher abschmilzt. Das Schmelzwasser bedroht das Hab und Gut des Bauern. Luciano Lliuya fordert nun, dass RWE 0,5% der Schutzmaßnahmen bezahlt, die notwendig sind, um die Region am Gletschersee an den Klimawandel anzupassen. Juristisch unterstützt wird Lliuya dabei von der gemeinnützigen Entwicklungs- und Umweltorganisation Germanwatch.

Wo wird geklagt?

Das Verfahren gegen RWE schlug in Deutschland hohe Wellen, ist aber bei weitem kein Einzelfall. Bislang ist Deutschland nicht der Hauptschauplatz der Klima-Klagen. Bis März 2017 gab es weltweit immerhin etwa 900 Gerichtsverfahren mit Klimabezug. Davon entfallen mehr als zwei Drittel auf die USA. Das übrige Drittel der Verfahren verteilt sich auf 23 andere Staaten – in Deutschland gab es erst drei.

Warum wurde nicht schon früher geklagt?

Viele Klima-Aktivistinnen und -Aktivisten vermissen konkrete Schritte, mit denen die in internationalen Klima-Abkommen vereinbarten Ziele erreicht werden. Doch eines muss man den Abkommen lassen: Ohne sie wären die Klima-Klagen kaum möglich!

Entscheidend waren dabei vor allem die Klimakonferenz in Warschau und das letzte Pariser Abkommen. Da sich die Staaten dort auf verschiedene Ziele einigten, können Klagende sie nun genau an diese Zusagen erinnern.

Kinder klagen gegen Kolumbien

Erst kürzlich titelte der Tagesspiegel "Kinder siegen vor Gericht gegen kolumbianischen Staat". Auch dieser Fall war außergewöhnlich: Hier verklagten 25 Kinder und Jugendliche den kolumbianischen Staat, weil er nichts gegen die Abholzung des Regenwaldes unternimmt. Das oberste Gericht Kolumbiens gab den Klagenden Recht, verwies auf die Zusage der Regierung in Paris, die Abholzung bis 2020 zu stoppen und forderte sie auf, bis September dieses Jahres einen entsprechenden Aktionsplan vorzulegen.

Der kolumbianische Fall hat historische Ausmaße, da im ersten Umweltprozess gegen einen lateinamerikanischen Staat die Amazonas-Region als juristische Person anerkannt wurde. Somit kann der Region auch nach juristischer Auffassung wie einem Menschen oder einem Unternehmen Schaden zugefügt werden, welcher zu ahnden ist.

Die juristische Evolution hat erst begonnen

Klima-Klagen haben, neben dem Ausüben von Druck und Öffentlichkeitswirksamkeit, eine weitere Auswirkung: die schrittweise Evolution juristischer Auffassungen über Klima und Umwelt.

Die Bedeutung von Klima-Klagen ist zu groß, als dass sich die Prozesse auf Schauprozesse mit Symbolcharakter reduzieren ließen. Natürlich werden in den Klagen nur einzelne Unternehmen oder Staaten zur Verantwortung gezogen – der Klimawandel als globaler Prozess lässt sich schließlich schlecht verklagen. Auch sind Klima-Klagen keine Schauprozesse, da sie durchaus konkrete Ergebnisse, wie etwa in Kolumbien, erreichen können. Beispielsweise erreichte die Bürgerbewegung Urgenda 2015 in den Niederlanden ein Urteil, wonach die Regierung ihre Klimapolitik an den vom Weltklima-Rat IPCC erarbeiteten Grundsätzen auszurichten habe. Erfolge gibt es auch in Ländern des globalen Südens oder den so genannten Schwellenländern, wie den BRIC-Staaten. So setzte etwa der Zuckerrohr-Bauer Ashgar Leghari in Pakistan gerichtlich durch, dass die Regierung stärker gegen den Klimawandel aktiv werden muss.

Was auf uns zukommt.

Keine Frage: Die Anzahl von Umweltprozessen wie den Klima-Klagen wird weiter ansteigen. Zu hoffen bleibt nun, dass gerichtliche Erfolge auch in der Praxis umgesetzt werden, dass sich die Öffentlichkeitswirksamkeit der Klagen nicht abnutzt und dass weiterhin mit richtungsweisenden Urteilen juristisches Neuland beschritten wird in einer Weise, die das Umweltrecht stärkt. Bei den zukünftigen Prozessen werden aller Voraussicht nach Fragen in Bezug auf Klimaflucht verhandelt.

Gültig bleibt dabei der Grundsatz, dass es wichtig ist, Staaten und stark umweltschädliche Praktiken an den Pranger zu stellen; ebenso wichtig ist es jedoch, die Pioniere, die anders handeln, zu fördern. In Bezug auf nachhaltiges Investment gibt es diese Pioniere durchaus in allen Segmenten.

Klimaklagen sind demnach, neben anderen Methoden und Ansätzen, ein fester Bestandteil, um unsere Lebensweise zukunftsfähig zu gestalten. Und auch die Kohle-Unternehmen wissen: Das wird sich nicht mehr zu deren Gunsten rückschrittlich ändern!

Wer sich weiter informieren möchte:

Das Sabin Center for Climate Change Law führt eine laufend aktualisierte Datenbank zum Thema Klimaklagen an der Columbia University in New York.

Marius Hasenheit

Geschrieben von Marius Hasenheit

Marius Hasenheit arbeitet am Think Tank Ecologic Institut. Freiberuflich ist er als Berater (strategischer) Kommunikation tätig. Gern schreibt er auch über Umweltthemen – hier bei nachhaltig investieren, bei Zeitungen wie Der Freitag oder Süddeutsche Zeitung oder dem transform Magazin, dessen Mitherausgeber er ist.